Beirut – ein Jahr nach der Explosion: Gesundheitsversorgung weiterhin stark eingeschränkt
Viele Menschen im Libanon sind ein Jahr nach der verheerenden Explosion vom 4. August 2020 im Hafen von Beirut, bei der fast 200 Menschen getötet und mindestens 6'500 verletzt wurden, verzweifelt. Jeden Tag erleben unsere Teams, dass Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder alleinerziehende Mütter besonders betroffen sind, weil sie keine staatliche Unterstützung oder angemessene Gesundheitsversorgung erhalten. Zahlreiche Betroffene sind bis heute traumatisiert.
© Kate Holt / HI
Ein Jahr nach der Explosion herrscht im Libanon weiterhin Chaos
Wir betreuten bis vor der Explosion primär syrische Geflüchtete im Libanon. Seit dem Unglück kommen jedoch immer mehr Libanes*innen, die Unterstützung benötigen.
«Das öffentliche Gesundheitssystem funktioniert weiterhin nur eingeschränkt», sagt Zeina, die damals den Nothilfeeinsatz geleitet hat.
Die Hälfte der Bevölkerung lebt heute unterhalb der Armutsgrenze und ist mit Brennstoffknappheit und steigenden Lebensmittelpreisen konfrontiert. Viele der Kliniken und Praxen, die beschädigt wurden, sind bis heute nicht einsatzfähig.
«Zahlreiche Menschen brauchen Hilfe und suchen diese bei Hilfsorganisationen und nicht bei der staatlichen Gesundheitsversorgung», so Zeina. «Die Anzahl unserer Patient*innen ist um 35 Prozent gestiegen. Viele stehen auf Wartelisten. Sie benötigen vor allem unsere Rehabilitations- und psychosozialen Dienste.»
Wut, Verzweiflung und Angst
Das ganze Land erlebt eine schlimme Finanzkrise mit verheerenden humanitären Folgen. Das libanesische Pfund hat ein Rekordtief erreicht und die Arbeitslosenzahl nimmt zu: Durch die Explosion verloren rund 70‘000 Menschen ihre Arbeit. Die Hälfte der Bevölkerung lebt inzwischen unterhalb der Armutsgrenze. Die Preise für Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff sind extrem hoch und für viele unerschwinglich. Die Infektionszahlen durch das Coronavirus steigen. Danila Zizi, unsere Programmdirektorin für den Libanon, sagt:
«Menschen, die damals einen sicheren Job und ein gutes Einkommen hatten, kämpfen heute darum, ihre eigenen Kinder zu ernähren. Das belastet sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit. Wir brauchen dringend Unterstützung.»
Die Erinnerung gibt auch Hoffnung
Nahed Mansour, unsere Projektleiterin im Libanon, berichtet über die Ereignisse dieses tragischen Tages:
«Ich erinnere mich an das Blut auf den Strassen, die Schreie der Menschen, die zerbrochenen Fenster und eingestürzten Gebäude. Ich erinnere mich noch daran, wie die Menschen einander unterstützten und sich umeinander kümmerten. Nach der Explosion reisten Menschen aus dem ganzen Libanon direkt nach Beirut, um den betroffenen Familien zu helfen, obwohl eine Quarantäne verhängt worden war. Ich werde nie vergessen, wie einer der Freiwilligen eine schwer verletzte Frau rettete. Sie sagte ihm, dass sie mit Corona infiziert sei und er sich von ihr fernhalten solle. Aber er sagte: ‹Das ist mir egal, ich lasse Sie nicht sterben›, und er trug sie in seinen Armen ins Krankenhaus.»
Unsere Aktionen vor Ort seit dem 4. August 2020
Unsere Teams haben den Opfern in verschiedenen Bereichen geholfen:
- Rehabilitationsdienste: 690* Personen haben Rehabilitationsdienste in Anspruch genommen: 395 Personen haben eine funktionelle Rehabilitation erhalten, 261 Pflegekräfte wurden in funktioneller Rehabilitation geschult und 360 Personen haben Hilfsmittel für spezielle Bedürfnisse oder Wundbehandlungssets erhalten.
- Psychologische und psychosoziale Unterstützung: 703 Personen profitierten von Gruppenaktivitäten zur persönlichen sozialen Unterstützung.
- Überweisung: 1'003 unserer Begünstigten wurden an externe Dienste verwiesen, hauptsächlich um Geld, Lebensmittel, Unterkunft oder medizinische Hilfe zu erhalten.
- COVID-19 Hygiene- und Präventionsdienste: 1'396 Haushalte erhielten Hygienepakete. Die Teams vor Ort stellten sicher, dass alle Zielgruppen die Präventionsbotschaften über Covid-19 und ihre Sicherheit erhalten und verstanden haben.
*Die Gesamtzahl übersteigt 690, da einige Personen sowohl funktionelle Rehabilitation als auch psychische Unterstützung erhielten.
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Nadia Ben Said
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