Verheerende Kontamination im Irak – Explosive Kriegsreste verhindern den Wiederaufbau
Fünf Jahre nach dem Ende des Krieges im Irak sind die Gemeinschaften noch immer zerrissen und Gebäude, Strassen und Brücken zerstört. Unser heute veröffentlichter Bericht zeichnet ein drastisches Bild des täglichen Lebens der Iraker:innen, von denen einige zu grosse Angst haben, ihre Kinder zu Fuss zur Schule gehen zu lassen, oder gezwungen sind, in durch Sprengkörper kontaminierten Gebieten zu arbeiten.
Ein Verwaltungsgebäude im Stadtzentrum von Sindschar wurde während der Kämpfe zwischen den Koalitionstruppen und der Bewegung "Islamischer Staat" zwischen 2016 und 2017 in Sindschar durch Mörserfeuer vollständig zerstört. | © HI
Unser Bericht «Wiederaufbau unmöglich: Auswirkungen der Kontamination durch Sprengkörper auf die Bevölkerung im Irak» zeigt, dass Kriege, auch wenn sie vorbei sind, aufgrund von explosiven Kriegsresten über Generationen hinweg immer neue Opfer fordern. Im Bericht wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, dass die Staaten die Zivilbevölkerung besser vor Bombenangriffen in Wohngebieten schützen.
Ständige Gefahr für die Bevölkerung
Der Irak ist eines der am stärksten mit explosiven Kriegsresten kontaminierten Länder der Welt. Diese Kontamination stellt eine grosse Gefahr für die Bevölkerung dar: Minen oder explosive Kriegsreste haben zwischen 2018 und 2020 rund 700 Opfer gefordert. 8,5 Millionen Iraker:innen leben in Gebieten, die von diesem tödlichen Erbe betroffen sind, das die verschiedenen Konflikte hinterlassen haben. In den Städten Mosul, Sindschar und Tall Afar dauern die Entminungsarbeiten achtmal länger als in ländlichen Gebieten.
«Es gibt keine klar abgegrenzten Minenfelder», erklärt Alma Taslidžan Al-Osta, unsere Beauftragte für Abrüstung und Schutz der Zivilbevölkerung. «Im Irak liegen Sprengfallen, die durch in Hauseingängen versteckte Kabel ausgelöst werden, nicht explodierte Fliegerbomben, die unter meterhohen Trümmern vergraben sind oder als Kinderspielzeug getarnte Sprengkörper.»
Für die Minenräumer:innen und die Menschen in der Nachbarschaft besteht ständig die Gefahr, dass kontrollierte Explosionen Gebäude zum Einsturz bringen. Selbst die klassischen blauen Schutzanzüge der Minenräumer:innen sind unter Umständen wirkungslos gegen diese Art der Kontamination.
Bombardierung von Städten: unmenschlich, ungenau und teuer
Bombenangriffe auf Wohngebiete haben den Irak-Konflikt zwischen 2014 und 2017 geprägt. Durch diese Kriegspraxis wurden nicht nur Zehntausende von Zivilist:innen getötet, sondern auch Schulen, Ackerland, Strassen, Häuser und Kläranlagen zerstört und mit Sprengkörpern verseucht. Allein in Mosul wurden 9 von 13 Krankenhäusern und 169 Schulen beschädigt.
«Die Kriegsregeln reichen nicht aus, um die Zivilbevölkerung in Wohngebieten während Konflikten zu schützen. Der Irak ist ein gutes Beispiel dafür, selbst Jahre nach dem Ende des Krieges», fährt Alma Taslidžan Al-Osta fort. «Benötigen die Staaten noch weitere Beweise, um endlich eine politische Erklärung gegen den Einsatz von hochwirksamen Explosivwaffen in Wohngebieten zu unterstützen?»
Nach zwei Jahren diplomatischer Gespräche hoffen wir, dass die Staaten bald eine solche Erklärung unterzeichnen werden. Sie wird ein historischer Schritt für den Schutz der Zivilbevölkerung in Konflikten sein.
Hindernis für den sozialen Zusammenhalt
Unfälle im Zusammenhang mit Sprengkörpern haben auch die Beziehungen innerhalb von Familien und zwischen Gemeinschaften beschädigt.
«Wenn ein Familienoberhaupt bei einem Unfall verletzt wird, kann er das Gefühl haben, seine Familie nicht mehr versorgen zu können, was sich negativ auf sein psychisches Wohlbefinden auswirkt», erklärt Marc Van der Mullen, Direktor von Handicap International im Irak. «Oder wenn ein Familienmitglied nach einem Unfall an einer Behinderung leidet, kann dies als Belastung empfunden werden. Dies umso mehr, als der Zugang zur Gesundheitsversorgung nach wie vor begrenzt und teuer ist.»
Eine von zwölf vertriebenen Personen – im Jahr 2020 waren es im Irak 678'512 – gibt an, dass das Vorhandensein von Sprengkörpern ein Hindernis für ihre Rückkehr darstellt, so der Bericht. Da die Familien nicht sicher in ihre Heimat zurückkehren können, bleiben sie Vertriebene im eigenen Land. So können die Gemeinschaften nicht gemeinsam wieder aufgebaut und gestärkt werden.
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Nadia Ben Said
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