Haiti: Frauen und Mädchen mit Behinderungen gehören zu den am stärksten Betroffenen des Erdbebens

Nothlife
Haiti

Von den 800'000 Menschen, die vom Erdbeben in Haiti betroffen sind, gehören Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu den am stärksten Betroffenen. Wir setzen uns dafür ein, dass ihren Bedürfnissen Rechnung getragen wird.         

Durch das Erdbeben verletzte Frauen im OFATMA-Krankenhaus in Les Cayes, Haiti. 2021

Durch das Erdbeben verletzte Frauen im OFATMA-Krankenhaus in Les Cayes, Haiti. 2021 | © R.CREWS/HI

Katastrophe verschärft wirtschaftliche Probleme

Die Bevölkerung Haitis ist seit langem mit Armutsproblemen konfrontiert, die durch die häufigen Naturkatastrophen, die das Land heimsuchen, noch verschärft werden. Unsere Erhebungen auf den lokalen Märkten haben ergeben, dass zusätzlich zur Inflation der haitianischen Währung die Kosten von Grundgütern seit dem Erdbeben gestiegen sind. Eine Packung Damenbinden kostete vor dem Erdbeben 75 haitianische Gourdes, jetzt sind es über 100. Hinzu kommt, dass nun viele Menschen kein Einkommen mehr haben.

«Viele Frauen mit Behinderungen haben ihre Werkzeuge für einkommensschaffende Aktivitäten verloren», erklärt Marijoe Pierre, Präsidentin des Verbands Association des femmes handicapées du Sud (Verband der Frauen mit Behinderungen des Südens) in Haiti. «Eine Näherin mit Behinderung hat ihre Nähmaschine in den Trümmern verloren. Sie ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Die Maschine ermöglichte es ihr, ihre Kinder zu ernähren. Jetzt lebt sie mit ihnen in einem Lager für Binnenvertriebene an der Strasse nach Torbec.»

Obdachlos und gefährdet

Fast 140'000 Häuser wurden durch das Erdbeben beschädigt oder zerstört, Tausende von Menschen wurden obdachlos. Viele mussten in provisorischen Unterkünften Zuflucht suchen, die nicht barrierefrei sind. Für Menschen mit Behinderungen gibt es nur sehr wenige geeignete Möglichkeiten.

«Frauen und Mädchen mit Behinderungen waren vom Erdbeben besonders betroffen», erklärt Estelle Levoyer, Leiterin des Notfallteams für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), Nahrungsmittel sowie Unterkünfte von Handicap International. «Auch einen Monat danach sind ihre Lebensbedingungen noch kritisch. Viele von ihnen leben im Freien oder in informellen Lagern und haben nur wenig oder gar keinen Zugang zu angemessenen Unterkünften, sanitären Einrichtungen und Hygieneartikeln. Sie sind zudem einem höheren Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt.»

Lokale Behörden und Organisationen berichten von einer Zunahme der geschlechtsspezifischen Gewalt seit dem Erdbeben, der Frauen mit Behinderungen unverhältnismässig stark ausgesetzt sind.

«Das Leben von Frauen mit Behinderungen ist bedroht», sagt Marijoe. «Sie sind sehr verletzlich, weil einige nicht vor Bedrohungen weglaufen können. Taube oder blinde Frauen, die in Notunterkünften in Lagern für Vertriebene leben, können nicht hören oder sehen, wenn sich ein potenzieller Angreifer nähert.

Das macht sie besonders verletzlich. Sie sind Gefahren besonders ausgesetzt.

Reha-Massnahmen für betroffene Frauen

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in den drei am stärksten betroffenen Regionen (Nippes, Grand'Anse und Sud) rund 1500 Menschen mit Behinderungen ermittelt. Die meisten von ihnen sind Frauen. Unser Reha-Team stellte fest, dass bei den 500 durchgeführten Notfallrehabilitationssitzungen 58 Prozent der Begünstigten Frauen und Mädchen waren.

Koordinierung mit lokalen Akteur*innen

Unser Notfallteam ist vor Ort, um auf die Krise zu reagieren. Die Mitarbeitenden betonen, wie wichtig es ist, mit den lokalen Akteur*innen zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass die am meisten gefährdeten Menschen bei den humanitären Massnahmen berücksichtigt werden.

Estelle erklärt: «Momentan ist es wichtig, dass sich alle Akteur*innen der humanitären Hilfe mit Behindertenorganisationen abstimmen und eng mit ihnen zusammenarbeiten, um die Faktoren zu erkennen und anzugehen, die den Frauen und Mädchen den Zugang zur Hilfe erschweren, sowie die Faktoren, die ihre Inklusion und ihren Schutz fördern.

Der Verband Association des femmes handicapées du Sud ist einer der lokalen Akteure, mit denen wir zusammenarbeiten, um angemessene und barrierefreie. Notfallhilfemassnahmen umzusetzen.
 

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