«Ein Jahr nach dem Erdbeben fühle ich mich fast so gut wie vorher»
Wir begleiten die Überlebenden der schweren Erdbeben in Syrien weiterhin bei der Rehabilitation und leisten psychologische Unterstützung.
Die dreijährige Noor mit ihrer Physiotherapeutin. | © HI 2023
Der lange Weg der Genesung
Die Teams unseres Partnerspitals in Aqrabat waren von den ersten Stunden nach der Katastrophe an im Einsatz und begleiten die Patient:innen während ihrer langen Genesung.
Die Mehrheit der verletzten Überlebenden leidet an orthopädischen Verletzungen, die eine langwierige Rehabilitation erfordern, um Mobilität, Kraft und Funktionalität wiederzuerlangen.
Bei Menschen mit schweren orthopädischen Verletzungen kann die Fähigkeit, sich selbstständig fortzubewegen, beeinträchtigt sein. Das Aqrabat-Spital hilft den Patient:innen, sich an ihre Prothesen, Rollstühle und Krücken zu gewöhnen.
Neben den körperlichen Verletzungen kann das Trauma des Erdbebens dauerhafte psychische Folgen wie posttraumatischen Stress und Angstzustände nach sich ziehen.
Im Behandlungsraum des Rehabilitationszentrums lächelt die dreijährige Noor schüchtern. Es ist ein herzlicher Moment zwischen ihr und den aufmerksamen Mitarbeitenden. Als die heftigen Erschütterungen des Erdbebens vom 6. Februar 2023 ihr Zuhause zum Einsturz brachten, war Noor gerade einmal zweieinhalb Jahre alt. Drei Tage lang lag sie unter den Trümmern, bis Rettungskräfte sie fanden.
Heilung und Widerstandskraft
Noors rechtes Bein musste unterhalb des Knies amputiert werden. Ihr linkes Bein wurde mehrmals operiert. Nach sieben Monaten im Spital wird sie immer noch intensiv von unseren Partnerteams betreut.
«Noor wächst schnell, deshalb müssen wir ihre Prothese regelmässig anpassen. Ihr anderes Bein ist seit dem Erdbeben durch die vielen Operationen sehr geschwächt. Wir begleiten sie bei der Rehabilitation und überprüfen regelmässig ihre Beinprothese», erklärt ihre Physiotherapeutin.
Neben der Rehabilitation ist es wichtig, das Mädchen psychologisch zu begleiten, um die komplexen emotionalen und mentalen Schwierigkeiten zu überwinden und so ihre Widerstandskraft und Genesung zu fördern.
Wie für viele Kinder, die beim Erdbeben verletzt wurden, organisiert das Spital spezielle Freizeitaktivitäten für sie.
Selbstständig gehen und die Schule besuchen
Nachdem Rema bei einem Erdbeben verletzt worden war, erhielt sie nach langen Monaten der Genesung und Rehabilitation eine Prothese. Das Mädchen war unter den Trümmern ihres Zuhauses eingeklemmt worden. Als sie nach 30 Stunden gefunden wurde, mussten ihr die Ärzt:innen ein Bein amputieren. Das Mädchen ist stolz darauf, wieder gehen zu können und ihr Leben fast wie früher fortzusetzen.
Ständige Bedrohung durch den Krieg
Doch für Salahedin, den Direktor des Spitals, dürfen diese Momente der Entspannung und Freude nicht über die, wie er sagt, «zutiefst belastende» Situation der Patient:innen in dieser Region hinwegtäuschen, in der seit mehr als zehn Jahren Krieg herrscht.
«Sie kämpfen nicht nur mit dem seelischen Trauma des Erdbebens, sondern tragen auch die Last der ständigen Not, die der Krieg mit sich bringt. Ihr Alltag ist geprägt von einem allgegenwärtigen Gefühl der Angst, das durch die ständige Bedrohung durch Luftangriffe noch verstärkt wird. Darüber hinaus zwingt die Unvorhersehbarkeit des Konflikts viele von ihnen, häufig umzuziehen und nach sichereren Gebieten zu suchen, wenn die Intensität des Krieges in ihrer Nachbarschaft zunimmt. Diese ständigen Veränderungen verschlechtern ihren ohnehin schon fragilen emotionalen und körperlichen Zustand und machen ihren Weg zur Genesung noch komplexer und anspruchsvoller», so der Spitaldirektor abschliessend.
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Nadia Ben Said
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