Offener Brief von 8 NGOs an Herrn Bundesrat Ignazio Cassis anlässlich des Welttages für einen Waffenstillstand in Gaza
Machen Sie mit beim weltweiten Aktionstag #CeasefireNOW!
Am 18. Dezember fordern Menschen auf der ganzen Welt gemeinsam einen dauerhaften Waffenstillstand in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten.
Humanitäre Organisationen und Einzelpersonen aus über 90 Ländern setzen sich gemeinsam für den Schutz der vom Konflikt
#CeasefireNOW von Genf aus zu einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und in Israel aufrufen. HI bündelte seine Kräfte auf dem Platz der Nationen mit Broken Chair, CARE, Intersos, Médecins Sans Frontières, Médecins Du Monde Schweiz und Terre des hommes Lausanne. | © T.Million / HI
Herr Cassis, setzen Sie sich jetzt für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza ein!
Sehr geehrter Herr Bundesrat,
Wir, Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte in Israel und dem besetzten palästinensischen Gebiet einsetzen, richten einen dringenden und klaren Appell an die Schweizer Regierung: Setzen Sie sich für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand ein. Dies ist die einzige Möglichkeit, um weitere zivile Opfer zu verhindern, die zivile Infrastruktur zu schützen, die Versorgung und Pflege der Verwundeten und die Lieferung humanitärer Hilfe zu gewährleisten und damit die Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu beenden. Die Schweiz hat die rechtliche Verantwortung, die Konfliktparteien auf den Schutz der Zivilbevölkerung zu verpflichten.
In Gaza fehlen inzwischen die allernötigsten Lebensgrundlagen. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen: In den überfüllten Gesundheitszentren und Spitälern muss das erschöpfte medizinische Personal über die vielen Patient:innen hinwegsteigen, die überall auf dem Fussboden liegen, und chirurgische Eingriffe ohne Anästhesie durchführen. Das Pflegepersonal und die Menschen, die es betreut, sind von direkten Angriffen bedroht. Einmal am Tag zu essen und brackiges Wasser zu trinken, ist für die Bevölkerung zum Alltag geworden. 1,9 Millionen Zivilist:innen sind vertrieben und wurden teils bereits mehrfach gezwungen, vor den Bombenangriffen zu flüchten. Viele Familien müssen auf der Strasse, am Strand, in Autos oder in überfüllten Unterkünften schlafen. Bald könnten Epidemien und Hungersnöte mehr Opfer fordern als die Bombardierungen. Kinder, schwangere und stillende Frauen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten sind am stärksten von dieser Situation betroffen. Wir können diese menschliche Katastrophe nicht stillschweigend hinnehmen: Es liegt in unserer Verantwortung, zu handeln – und in Ihrer.
Wir hatten davor gewarnt, dass die totale Belagerung, die die israelische Regierung seit dem 9. Oktober verhängt hat, und die Beschränkungen des Zugangs für humanitäre Hilfsgüter verheerende Folgen haben würden. Doch die physischen und psychischen Auswirkungen auf die gesamte Zivilbevölkerung, insbesondere auf Kinder und besonders gefährdete Personen, sind schlimmer, als wir es uns hätten vorstellen können. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit spielt sich eine vollständig von Menschen verursachte Katastrophe ab.
Das humanitäre Völkerrecht ist eindeutig: Auch Kriege haben Regeln. Und diese werden in Gaza ungestraft mit Füssen getreten. Die Zahl von 18'000 getöteten Menschen, von denen 70 % Frauen und Kinder sind, zeigt, dass die Einhaltung dieser Regeln mit der Fortsetzung der Militäroperationen in Gaza unvereinbar ist. Wie viele Zivilist:innen müssen noch sterben, damit sich die Schweiz für einen dauerhaften Waffenstillstand einsetzt? Wir akzeptieren nicht, dass diese Todesfälle und die massive Zerstörung von Wohnvierteln, Flüchtlingslagern, Spitälern, Schulen und religiösen Stätten als Kollateralschäden betrachtet werden.
2,2 Millionen Zivilist:innen benötigen einen sofortigen Waffenstillstand, um überleben zu können. Der Krieg hat Millionen von Menschen gezwungen, vom Norden in den Süden zu flüchten. Sie drängen sich nun unter unhygienischen Bedingungen zusammen, ohne jegliche Sicherheitsgarantie zu haben. Wir weisen darauf hin, dass kein Ort in Gaza sicher ist: Die sogenannten «Sicherheitszonen» werden ständig angegriffen und bieten den Vertriebenen keine Unterkunft. Die siebentägige Pause, die Ende November verhängt worden war, war eine Atempause für die Bevölkerung. Sie reichte jedoch nicht aus, um es humanitären und Menschenrechtsorganisationen zu ermöglichen, auf die kolossalen Bedürfnisse der Zivilbevölkerung einzugehen.
Die totale israelische Blockade verhindert die Grundversorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln, Treibstoff und Strom. In dieser Situation und unter den anhaltenden Bombardements können wir keine humanitäre Hilfe leisten. Es ist illusorisch zu glauben, dass eine angemessene humanitäre Reaktion erfolgen kann, wenn die Bombardierungen nicht enden, Hilfsgüter nicht sicher verteilt werden können und nur eine minimale Menge an Hilfsgütern überhaupt über einen einzigen Grenzübergang eingeführt werden kann.
Wir fordern, dass alle Grenzübergänge, einschliesslich Kerem Shalom und Erez, für die Einfuhr von humanitärer Hilfe und Handelsgütern geöffnet werden.
Die Feindseligkeiten in Gaza haben direkte Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Westjordanland, die sich gefährlich verschlechtert hat, indem die Zahl der getöteten Palästinenser:innen und die Gewalt der Siedler:innen in noch nie dagewesener Weise zugenommen haben. Die anhaltenden Auseinandersetzungen in Gaza erhöhen nicht nur die Gefahr eines Flächenbrandes im gesamten besetzten palästinensischen Gebiet, sondern bergen auch das Risiko einer regionalen Destabilisierung. Darüber hinaus ist ein dauerhafter Waffenstillstand nicht nur unerlässlich, um das Leben von Zivilist:innen zu schützen, sondern auch der erste Schritt zur Wiederaufnahme eines Friedensdialogs. Der neue Zyklus extremer Gewalt, der durch die tödlichen Angriffe der Hamas und ihrer Verbündeten ausgelöst wurde, lässt keinen Zweifel daran, dass die internationale Gemeinschaft es sich nicht länger leisten kann, ihre Bemühungen um eine gerechte und dauerhafte Lösung für Palästinenser:innen und Israel:innen zu vernachlässigen.
Als Depositarstaat der Genfer Konventionen und ihrer Zusatzprotokolle muss die Schweiz das humanitäre Völkerrecht unmissverständlich verteidigen. Die politischen Interessen der Konfliktparteien dürfen nicht an die Stelle des Schutzes der 2,2 Millionen Zivilist:innen treten, deren Leben durch die andauernden Feindseligkeiten direkt bedroht sind. Die Schweiz muss die Lehren aus der siebentägigen Pause Ende November ziehen: Ein temporärer Waffenstillstand reicht keinesfalls aus, um humanitäre Hilfe zu leisten, die den Bedürfnissen der Zivilbevölkerung in Gaza gerecht wird. Herr Bundesrat Ignazio Cassis, wir fordern Sie dringend dazu auf, sich nachdrücklich für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts einzusetzen, indem Sie die Konfliktparteien auf die Umsetzung eines dauerhaften Waffenstillstands verpflichten.
Um das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und zu retten, braucht es einen Waffenstillstand.
Um humanitäre Hilfe zu leisten, ist ein Waffenstillstand erforderlich.
Um Leben zu retten, ist ein Waffenstillstand unentbehrlich.
Unterzeichner:innen :
Association pour l’Aide Médicale Centro America - Dr. Francesco Ceppi, Président
Fondation Terre des Hommes - Barbara Hintermann, Directrice Générale
Frieda - Die feministische Friedensorganisation - Directrice Andrea Nagel
Handicap International Suisse - Daniel Suda-Lang, Directeur de Handicap International Suisse, et Christophe Wilhelm, Président de Handicap International Suisse
Gerechtigkeit und Frieden in Palästina (Justice et Paix en Palestine) - Margrit Dutt, Présidente
Ina autra senda Swiss Friends of Combatants for Peace
Médecins du Monde – Morgane Rousseau, Directrice
medico international schweiz - Maja Hess, Présidente
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Nadia Ben Said
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