1982 erhielt Emilie ihre erste Prothese von uns
Emilie Pin Vath war sechs Jahre alt, als sie in Kambodscha auf eine Antipersonenmine trat und ihren Fuss verlor. Sie gehörte zu den allerersten Personen, die von unserer Organisation eine Prothese erhielt. Heute lebt sie in Frankreich. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums unserer Organisation, erzählt uns Emilie ihre Geschichte.
Emilie Pin Vath im Oktober 2022 im Haus ihrer Schwester in Ostfrankreich. | © MKE Production / HI
Explosion einer Antipersonenmine
Damals war in Kambodscha Krieg. Wegen der Roten Khmer musste meine Familie unser Dorf verlassen.
Eines Tages, als wir zwischen Thailand und Kambodscha unterwegs waren, gelangten wir zu einem Flüchtlingslager an einem Teich. Wir hatten eine anstrengende Reise hinter uns und wie die anderen Kinder wollte ich unbedingt in das kühle Nass tauchen.
Auf dem Weg zum Teich kamen uns Männer entgegen. Im Vorbeigehen schubste mich einer und ich fiel auf eine Antipersonenmine. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall. Danach erinnere ich mich nur noch an einen schwarzen Schleier. Ich konnte nichts mehr sehen. Als ich aufwachte, sah ich, dass ich keinen linken Fuss mehr hatte. Er war bei der Explosion der Mine abgerissen worden.
Ankunft im Flüchtlingslager Khao I Dang
Ich wurde notfallmässig versorgt, aber für eine bessere Pflege musste ich in ein anderes Flüchtlingslager in Thailand gehen. Meine Familie hat mich zwei Wochen lang auf einer Trage durch den Wald getragen, ganz ohne Medikamente.
Als wir im Lager Khao I Dang ankamen, sah viele Menschen, denen Arme oder Beine fehlten; die meisten waren Kinder.
Ich wurde in die Klinik gebracht, wo man mir die Verbände abnahm. Die Ärzte beschlossen, mir den Fuss unter Anästhesie zu amputieren.
Die ersten Bambusprothesen von HI
Im Lager gab es eine Werkstatt mit Hämmern, Bambusstücken und Eisenstangen. Einer der Arbeiter sah mich und erklärte mir: «Wir stellen Prothesen aus Bambus für Kinder wie dich her. Sie sind für Menschen, deren Beine und Füsse wegen Verletzungen durch Landminen amputiert werden mussten.» Ich bin zu meinen Eltern nach Hause gerannt und habe gerufen: «Mami, es gibt eine Werkstatt, in der sie Beine machen! Für Kinder wie mich»
Damals lernte ich die Gründer von HI kennen. Sie waren gekommen, um uns zu unterstützen. Trotz der Sprachbarriere schulten sie Flüchtlinge in der Herstellung von Prothesen aus Bambus.
Ich musste warten, bis mein Bein verheilt war, bevor ich meine erste Prothese anprobieren konnte. Am Anfang hat es sehr wehgetan, weil wir nichts hatten, um den Schmerz zu stillen. Aber sobald ich den Fuss mit der Prothese zum ersten Mal auf den Boden stellte, rief ich: «Endlich kann ich wieder wie die anderen laufen!» Sechs Monate nach meiner Amputation hatte ich wieder zwei Füsse. Trotz der Schmerzen habe ich meine Prothese jeden Tag getragen.
Leben ohne Grenzen
Dank des Roten Kreuzes konnte meine Familie im September 1982 nach Frankreich ziehen. Die erste Zeit war sehr hart. Wir kamen aus einem Land mit einer völlig anderen Kultur und ich hatte mit nur sechs Jahren schon die unbeschreiblichen Schrecken des Krieges miterlebt. Ich habe Erinnerungen, die ich nie vergessen habe.
Als ich älter wurde, änderte sich mein Blick auf meine Prothese. Ich begegnete Kindern, die noch nie einen Menschen mit einer Amputation gesehen hatten und von meiner Prothese beeindruckt waren. Zum Glück haben meine Eltern mich immer ermutigt, die Blicke der anderen zu ignorieren und mein Leben so zu leben, wie ich es für richtig halte.
Jetzt lebe und arbeite ich hier und habe sogar die französische Staatsbürgerschaft erhalten. Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr vermisse ich meine andere Heimat. Jetzt träume ich davon, nach Kambodscha zurückkehren und wieder dort zu leben.
© HI
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Nadia Ben Said
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