Ukraine: Tödliche Hinterlassenschaften des Krieges
Die massive Belastung der Ukraine mit explosiven Kriegsresten ist eine Folge des bewaffneten Konflikts, der 2014 begann und sich nach der grossangelegten russischen Invasion im Februar 2022 weiter verschärfte.
Ana klärt Kinder in einer der unterirdischen Schulen in Charkiw über die Gefahren von Blindgängern auf. | © M. Monier / HI 2024
Die Ukraine gehört zu den sieben am stärksten mit explosiven Kriegsmunitionsrückständen belasteten Ländern der Welt
Drei Jahre nach der grossangelegten russischen Invasion ist die Ukraine Schätzungen zufolge mit Hunderttausenden von Sprengkörpern übersät. Die Ukraine gehört nun zu den sieben am stärksten belasteten Ländern der Welt mit einer belasteten Fläche von mehr als 100 Quadratkilometern (ACAPS, 2024, Landmine Monitor 2024). Das volle Ausmass der Belastung ist unbekannt, da der Konflikt eine umfassende Untersuchung verhindert.
«Minen, Streumunition und explosive Kriegsreste befinden sich auf Feldern, Strassen, in Wohngebieten, unter der Erde und sogar versteckt in Alltagsgegenständen. Ganze Generationen werden unter den Folgen leiden.» Gary Toombs, unser technischer Leiter der Minenräumung
Minen in elf von 27 Regionen des Landes gefunden
Laut dem aktuellen Landminen-Monitor 2024 sind in elf der insgesamt 27 ukrainischen Regionen Landminen nachgewiesen worden. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 hat Russland in der Ukraine systematisch und grossflächig Antipersonenminen eingesetzt. Es handelt sich dabei um den massivsten Einsatz von Antipersonenminen seit Jahrzehnten. Verschiedenen Quellen zufolge hat die Ukraine, ein Vertragsstaat der Ottawa-Konvention, im Jahr 2022 Antipersonenminen in der Oblast Charkiw eingesetzt, als die Stadt Isjum unter russischer Kontrolle stand.
Region Charkiw mit den meisten Zwischenfällen im Jahr 2024
Die Region Charkiw verzeichnete zwischen Juli und September 2024 die meisten Zwischenfälle – laut der unabhängigen Analyseorganisation ACAPS gab es dort 21 Opfer. Die ukrainischen Behörden haben seit 2023 landesweit 763 Zwischenfälle mit Explosivwaffen mit 1099 Opfern registriert.
Der Landminen-Monitor 2024 stuft die Ukraine als das Land mit der vierthöchsten Zahl an Minenopfern im Jahr 2023 ein. Zudem verzeichnete die Ukraine zum zweiten Jahr in Folge die meisten Opfer durch Streumunition weltweit.
Explosive Kampfmittel – ein tödliches Erbe für Millionen von Menschen in der Ukraine
Explosive Kriegsmunitionsrückstände stellen eine langfristige Gefahr für die Zivilbevölkerung dar und behindern sowohl den Zugang zur Grundversorgung als auch die wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Gebiete. Minenräumung ist nicht nur gefährlich, sondern auch zeit- und kostenintensiv (Geschätzte Kosten für die Ukraine in Höhe von 34 Milliarden US-Dollar, UNDP).
Einige der eingesetzten Waffen sind durch das Minenverbotsabkommen (Ottawa-Abkommen und das Streumunitionsabkommen (Oslo-Abkommen), die von mehr als drei Viertel der Staaten der Welt unterzeichnet wurden, international geächtet. Seit das Ottawa-Abkommen 1999 in Kraft trat, ist die Zahl der Minenopfer weltweit um 80 Prozent zurückgegangen. Seit der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens 2008 haben die Vertragsstaaten 1,49 Millionen Streumunitionswaffen und 179 Millionen Submunitionen vernichtet und deren Produktion und Einsatz eingestellt.
Diese Erfolge beruhen auf dem weltweiten Engagement für den Schutz der Zivilbevölkerung. Wir fordern alle Vertragsstaaten dieser zentralen Abkommen des humanitären Völkerrechts auf, den Einsatz dieser menschenverachtenden Waffen klar zu verurteilen und sich entschieden dagegen einzusetzen, um weiteres Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung zu verhindern.
Aufklärung ist lebenswichtig
Derzeit findet der Schulunterricht in Charkiw weitgehend in unterirdischen Räumen von U-Bahn-Stationen statt. Unsere Teams schulen die Kinder, wie sie sich vor den Gefahren durch explosive Kriegsmunitionsrückstände schützen können: Verdächtige Gegenstände nicht berühren, sondern sofort weggehen und den Notruf wählen. Diese Schulungen sind überlebenswichtig: Sie helfen den Kindern, Landminen und Sprengkörper zu erkennen und gefährliche Gebiete zu meiden.
Im Rahmen der Opferhilfe unterstützen wir auch Menschen, die durch den Kontakt mit Sprengkörpern verletzt wurden. Unsere Sozialarbeitenden identifizieren durch Minen und andere Kampfmittel verletzte Menschen und vermitteln sie an interne psychosoziale Angebote, an Rehabilitationsangebote oder an andere Hilfsorganisationen.
Nehmen Sie mit uns Kontakt auf
Nadia Ben Said
Verantwortliche Medien
(FR/DE/EN)
Tel : +41 22 710 93 36
[email protected]